Die Vernetzung von Akteuren und Ressourcen – OER in der NFDI und in den Datenkompetenzzentren: ein Workshopbericht (Teil 2)
Autoren
Jonathan D. Geiger, Dorothee Urbaum, Marina Lemaire, Petra Steiner
20.03.2025
Darmstadt

Rahmen und Hintergründe
Offene Bildungsressourcen (Open Educational Resources, OER) zur Förderung von Data Literacy und Forschungsdatenmanagement (FDM) spielen eine zentrale Rolle in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und darüber hinaus. Viele FDM-Projekte und -Netzwerke beschäftigen sich mit der Erstellung, Sammlung und nachhaltigen Bereitstellung solcher Materialien sowie mit Fragen der Kuration und Verknüpfung. Dabei lassen sich die FAIR-Prinzipien ebenso auf OER anwenden wie auf Forschungsdaten. Am 5. und 6. Februar 2025 fand an der Hochschule Darmstadt ein Workshop mit Vertreter*innen der Projekte DALIA, NFDI4Memory, NFDI4Culture, Text+, KonsortSWD, HERMES, QUADRIGA, KODAQSs, SODa und WiNoDa statt. Die Teilnehmenden stellten die Arbeitsstände ihrer Projekte vor, diskutierten aktuelle Herausforderungen in interaktiven Formaten und erarbeiteten mögliche Lösungen. Die Atmosphäre war produktiv, und der Austausch wurde als wertvoll empfunden. Zur nachhaltigen Weiterarbeit an konkreten Aufgaben wurden mehrere Task Forces gebildet, die die im Workshop begonnenen Diskussionen fortführen. Der Workshop schloss an den Workshop von DALIA, NFDI4Memory, NFDI4Culture, HERMES und QUADRIGA im April 2024 an. Dieser kann hier rekapituliert werden.
Persona Workshop
Die Task Area “Data Literacy” von NFDI4Memory und das Format “Open Educational Resources” des Datenkompetenzzentrums HERMES führten gemeinsam im Rahmen des Workshops einen Persona-Workshop durch. Mithilfe eigens entwickelter Personas wurden die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen – von Studierenden bis hin zu Professor*innen – im Umgang mit OER systematisch analysiert, um darauf aufbauend passgenaue Angebote entwickeln zu können. In intensiven Diskussionen wurden zentrale Herausforderungen wie Nutzungshürden, Motivation und institutionelle Anreize beleuchtet und Potenziale identifiziert. Die entwickelten Personas sowie die Erkenntnisse zu bedarfsgerechten OER werden zeitnah veröffentlicht.
Phase 1: Themendiskussion
Tisch 1: Metadaten
Die Diskussion konzentrierte sich auf die Standardisierung und Kuration von Metadaten für OER. Es wurden kontrollierte Vokabulare, Picklists und Attribute als zentrale Anforderungen identifiziert, insbesondere für wissenschaftliche Disziplinen (Destatis vs. DFG), Lernressourcentypen und Zielgruppen. Dabei wurde betont, dass klare Regeln zur Kuration und Definition notwendig sind. Zudem fehlt es an Wissen über die tatsächliche Nutzung von OER, was eine gezieltere Entwicklung und Anpassung von Metadaten erschwert.
Tisch 2: Nachnutzung und Nachhaltigkeit
Ein zentrales Problem ist die fehlende Kultur des Teilens und der Wiederverwendung von OER. Viele Lehrende wissen nicht, wo sie nach Materialien suchen können, und empfinden die Aufbereitung eigener Inhalte als OER als zusätzlichen Aufwand. Qualitätsprüfungen – sowohl inhaltlich als auch didaktisch – wurden als notwendig erachtet, ebenso wie klare Lizenzangaben. Maßnahmen zur Förderung von OER umfassen Peer-Review-Verfahren, cCommunity-basierte Entwicklung, bessere Auffindbarkeit durch semantische Web-Technologien sowie die Einführung eines OER-Awards auf Fachkonferenzen.
Tisch 3: Suchstrategien und -techniken
Die Diskussion behandelte die Optimierung von Suchfunktionen für OER, einschließlich minimalistisch gehaltener oder KI-gestützter Suchen. Die Qualität von Metadaten spielt eine entscheidende Rolle für die Auffindbarkeit, wobei Social Tagging und Ontologien helfen können. Die Integration von Knowledge Graphs sowie lernpfadbasierte Empfehlungen wurden als Möglichkeiten genannt. Zudem sollten Handreichungen entwickelt werden, die Lehrende bei der Suche nach OER unterstützen. Eine Herausforderung bleibt die nachhaltige Auffindbarkeit älterer Versionen und die Programmierung effizienter Suchwerkzeuge.
Tisch 4: Sammlungskriterien und -qualität
Zur Qualitätssicherung von OER wurden verschiedene Kriterien diskutiert, darunter Peer-Review-Verfahren, Community-Entscheidungen und Zielgruppenorientierung. Eine Balance zwischen Vollständigkeit und kuratierter Auswahl ist entscheidend, ebenso wie transparente Aufnahme- und Ausschlusskriterien. Besondere Herausforderungen betreffen die technische Integration verschiedener Plattformen und die Abgrenzung zu klassischen Lehrmaterialien. FAIR-Prinzipien sollten auch für OER angewandt werden, um eine bessere Auffindbarkeit und langfristige Verfügbarkeit sicherzustellen.
Phase 2: Vertiefung
Tisch 1: Projektplan für FDM-Basis-OER
Die am Workshop beteiligten Konsortien und Datenkompetenzzentren entwickelten gemeinsam einen Plan für modulare OER zum Thema Forschungsdatenmanagement. Die Inhalte wurden thematisch nach der Lernzielmatrix (Petersen et al., 2023) in Cluster gegliedert, darunter Grundlagen, rechtliche Aspekte, Datenverarbeitung, Dokumentation und Publikation. Die Module sollen sich flexibel an verschiedene Lehrkontexte anpassen lassen und forschendes Lernen durch Fallbeispiele fördern. Besonders wichtig sind klare Definitionen, interaktive Elemente und ein praxisnaher Zugang. Geplante nächste Schritte umfassen die Erstellung von Ablaufskripten, Lehrdrehbüchern sowie Foliensätzen. Zudem soll ein Glossar mit wichtigen Begriffen und Abkürzungen entwickelt werden. Im Anschluss hat sich eine Arbeitsgruppe entwickelt, die sich seit dem Workshop wöchentlich trifft und die Ideen weiterentwickelt.
Tisch 2: Picklists
Die Diskussion drehte sich um die Definition von Kompetenzstufen und Zielgruppen für OER. Es wurde über bestehende Modelle wie das Dreyfus-Modell gesprochen, jedoch betont, dass zu viele Stufen die Nutzerinnen überfordern könnten. Es wurde eine klare Trennung zwischen den Attributen Kompetenzstufe, Zielgruppe und Fachdisziplin herausgearbeitet. Die Definition von Zielgruppen sollte sich an der Expertise der Adressatinnen in ihrer (Arbeits-)Domäne (z. B. akademisches Umfeld oder Bibliothek) orientieren. Dabei wurde eine Zielgruppenliste erarbeitet, die von Schüler*innen über Forschende bis hin zu Citizen Scientists reicht. Die Kompetenzstufe gibt an, auf welchem Anforderungsniveau das behandelte Thema der OER angesiedelt ist und orientiert sich somit an den Voraussetzungen, die die Lernenden mitbringen müssen und den avisierten Lernzielen. Einige verfügbare Vokabulare für die benötigten Picklists wurden kritisch überprüft, wobei festgestellt wurde, dass diese oft nicht ausreichend definiert, und/oder unvollständig oder beides sind. Diesem Problem wird sich eine Gruppe weiterhin widmen, um die Auffindbarkeit und vergleichbare Beschreibung von OERs zu verbessern.
Tisch 3: Qualitätskriterien
Es wurden verschiedene Qualitätskriterien für OER zusammengetragen, darunter formale (u. a. Lizenzierung, Zugänglichkeit), inhaltliche (u. a. fachliche Richtigkeit, Aktualität), strukturelle (u. a. Modularität, klare Struktur) und technische (u. a. offene Formate). Auch didaktische Aspekte, wie die Anpassung an Lernstufen, wurden thematisiert. Darüber hinaus wurde die Qualität von OER-Sammlungen diskutiert, wobei Faktoren wie Vollständigkeit, Sichtbarkeit und Kuratierung eine Rolle spielen. Herausforderungen bestehen insbesondere in der praktischen Umsetzung und der Festlegung von Auswahl- und Bewertungsmechanismen. Eine mögliche Lösung wäre die Entwicklung von Checklisten oder Leitfäden, um die Qualität von Materialien und Sammlungen festzustellen. Insgesamt kann zwischen Qualitätskriterien zu 1. zu den Metadaten der Materialien, 2. zu den Sammlungen und Kollektionen und 3. den Suchfunktionalitäten unterschieden werden. Auch diesem Themen- und Problemkreis wird sich über den Workshop hinaus eine Arbeitsgruppe widmen.
Ausblick
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Themenkomplex Open Educational Resources für Data Literacy und FDM sehr heterogen ist und viele Anforderungen unterschiedlicher Fachcommunitieys zusammengebracht werden müssen, selbst wenn man sich “nur” auf den Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften konzentriert. Dennoch lässt sich ein Fortschritt des Diskurses verzeichnen: Die derzeitigen neuralgischen Punkte sind andere als vor einem Jahr, beispielsweise scheinen grundsätzliche technische Fragen nach Repositorien, Metadatenschemata und Sammlungsmethoden in den Hintergrund getreten zu sein, da sie als hinreichend bearbeitet angesehen werden. Dafür spielen nun spezialisierte Fragen nach spezifischeren, passfähigeren Picklists, Qualitätskonzepte und gemeinsamen FDM-Schulungsmaterialien eine größere Rolle. Der Austausch in dieser Gruppe wird weiterhin als sinnvoll und fruchtbar bewertet. Der Anschluss an den letzten Workshop im April 2024 gelang und die Vergrößerung des Kreises der beteiligten Projekte brachte weitere nutzbringende Perspektiven ein, wodurch Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich werden konnten, aber auch Synergien für die Zusammenarbeit identifiziert wurden. Der weitere Kontakt der Projekte untereinander soll über verschiedene Kommunikationskanäle (regelmäßige Meetings, eine Mailingliste, ein Channel im NFDI-RocketChat) realisiert werden, sodass die drei gegründeten Arbeitsgruppen (1. FDM-Basis-OER, 2. Metadaten für OER und 3. Qualitätskriterien im Zusammenhang mit OER) ihre Arbeiten aus dem Workshop fortsetzen können. Ebenso erscheint ein Anschlussworkshop in ungefähr einem Jahr als sinnvoll.
Literatur
Petersen, B., Engelhardt, C., Hörner, T., Jacob, J., Kvetnaya, T., Mühlichen, A., Schranzhofer, H., Schulz, S., Slowig, B., Trautwein-Bruns, U., Voigt, A., & Wiljes, C. (2023). Lernzielmatrix zum Themenbereich Forschungsdatenmanagement (FDM) für die Zielgruppen Studierende, PhDs und Data Stewards (Version 2). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.8010617